Luana Lopes Lara: Wie ein Salzburger Ballett-Schwan die jüngste Selfmade-Milliardärin der Welt wurde
Da werden ihre alten Bühnenkollegen staunen: Die heute 29-jährige Brasilianerin Luana Lopes Lara, die einst am Salzburger Landestheater als weisser Schwan in „Schwanensee“ brillierte, ist heute die jüngste weibliche Selfmade-Milliardärin der Welt. Ihr Weg führt von der Welt des klassischen Balletts über eines der anspruchsvollsten Technologieprogramme der USA bis an die Spitze eines neuen Finanzmarktsegments.
Aufgewachsen in Brasilien, wurde Lopes Lara an der Escola do Teatro Bolshoi no Brasil ausgebildet. Diese Schule gilt als die härteste und gleichzeitig renommierteste Ballettinstitution Südamerikas. Dort zeigte sich ein Talent, das weit über den Tanzsaal hinausreichte: Sie gewann mehrere Mathematikolympiaden und erhielt Studienzusagen führender Universitäten wie Harvard, Yale und Stanford.
Nach ihrer Ausbildung wechselte sie nach Österreich und wurde Teil der Ballettcompagnie des Salzburger Landestheaters. Neun Monate lang tanzte sie dort den weissen Schwan – eine der anspruchsvollsten Rollen des klassischen Repertoires. Abend für Abend stand sie vor einem vollbesetzten Haus. Die Disziplin dieser Jahre prägte sie nachhaltig. Eine Episode aus dieser Zeit, die sie später wiedergegeben hat, verdeutlicht den Druck der Ausbildung: Ein Lehrer habe ihr eine brennende Zigarette an den Oberschenkel gehalten, um zu testen, wie lange sie das Bein oben halten könne.

Sie tauschte die Bühne gegen alles
Doch die Bühne wurde ihr zu eng. Sie entschied sich für einen radikalen Schritt und zog in die USA. Dort schrieb sie sich am Massachusetts Institute of Technology (MIT) ein – einer der führenden technischen Universitäten der Welt. Das MIT liegt in Cambridge, direkt gegenüber von Boston, und gilt als Zentrum internationaler Forschung in Informatik, Physik, Robotik, Finanztechnik und künstlicher Intelligenz. Lopes Lara studierte Computer Science and Engineering und lebte wie viele MIT-Studenten im Umfeld des „Infinite Corridor“, jenes legendären Gebäudekomplexes, der zahlreiche Labors miteinander verbindet.
Am MIT lernte sie auch Tarek Mansour kennen – ihren späteren Mitgründer. Die beiden entwickelten früh die Idee eines regulierten Prognosemarktes, der Daten, Erwartungen und Risiko erstmals in standardisierte, staatlich zugelassene Finanzprodukte verwandeln sollte. 2018 gründeten sie in New York ihr Unternehmen Kalshi. Der Name bedeutet im Arabischen „alles“, und genau das beschreibt die Spannweite der Plattform.

Kalshi ermöglicht es Nutzern, auf die Ergebnisse klar definierter zukünftiger Ereignisse zu handeln – mit der gleichen technischen Struktur wie an einer Börse. Beispiele sind Fragen wie:
Wird die US-Notenbank den Leitzins im kommenden Monat ändern?
Wird die Hurrikan-Saison stärker ausfallen als der historische Durchschnitt?
Wie hoch wird die Inflationsrate im laufenden Quartal sein?
Jede Frage ist in einen handelbaren Kontrakt gegossen, dessen Preis die Wahrscheinlichkeit widerspiegelt, die der Markt einem Ausgang beimisst. Was bislang in Umfragen, Expertenschätzungen und Stimmungsindikatoren existierte, wird so in ein messbares, transparentes Finanzinstrument überführt.
Der Weg zur Marktreife war allerdings herausfordernd. Zwei Jahre lang konnte Kalshi kein Produkt veröffentlichen, weil die US-Börsenaufsicht CFTC eine umfassende Prüfung durchführte. Erst 2023 erteilte die Behörde die Genehmigung für den Handel mit regulierten „Event Contracts“. Diese Zulassung war ein Novum und machte Kalshi sofort zu einem relevanten Akteur in einem neuen, wachsenden Marktsegment, das an der Schnittstelle zwischen Datenanalyse, Finanztechnik und Prognosewissenschaft liegt.
Heute wird Kalshi mit rund 9,5 Milliarden Euro bewertet. Mit jeweils rund zwölf Prozent Anteil verfügen Lopes Lara und Mansour über Vermögenswerte im Milliardenbereich. Ihre Plattform wird zunehmend von Privatanlegern, Analysten, Rohstoffhändlern und politischen Beobachtern genutzt, weil Prognosemärkte in Echtzeit abbilden, wie der Markt zukünftige Ereignisse einschätzt – oft präziser als klassische Modelle.
Damit verkörpert Lopes Lara einen seltenen Brückenschlag zwischen zwei Welten: der körperlich auf den Punkt gedrillten Präzision des klassischen Tanzes und der analytischen Strenge der Technologiebranche. Ihr Weg zeigt, wie sich Disziplin, Risikofreude und intellektuelle Flexibilität zu einem Profil verbinden können, das in der modernen Wirtschaft hohes Gewicht erhält.
Für jene, die sie einst in Salzburg am Ende einer Aufführung vor den Vorhang treten sahen, dürfte ihr heutiger Werdegang kaum vorhersehbar gewesen sein. Für Lopes Lara hingegen scheint ihr Aufstieg eine logische Fortsetzung eines Lebens, das von Beginn an weit über die Bühne hinausgedacht war.