Nightjet-Offensive in Österreich, Subventionskampf in der Schweiz: Zwei Modelle, ein europäisches Problem
Österreich hat längst entschieden, dass Nachtzüge ein strategischer Bestandteil des internationalen Verkehrs bleiben sollen. Die ÖBB investieren seit Jahren in moderne Garnituren, höhere Kapazitäten und ein breiteres Streckennetz. Verbindungen nach Hamburg, Amsterdam, Brüssel, Rom und Zürich gehören bereits zum Angebot, weitere folgen. Die neue Nightjet-Generation ersetzt veraltetes Rollmaterial und erhöht die Auslastung, weil Wien, Zürich und Hamburg als leistungsfähige Drehscheiben funktionieren. Das Ergebnis ist ein europäisch vernetztes System, das nicht auf Einzelprojekte setzt, sondern auf Skalierung.
Während Österreich seine Flotte modernisiert, steht die Schweiz vor einer kontroversen Entscheidung. Das Parlament in Bern diskutiert über Subventionen für die geplante Nachtzuglinie Basel–Malmö. Laut einem Bericht der NZZ sollen im kommenden Jahr 8,9 Millionen Franken fliessen, bis 2030 zusätzlich 37 Millionen. Der staatliche Zuschuss pro Ticket könnte damit bis zu 200 Franken erreichen. Die Betreiber, SBB und die deutsche Tochter des US-Unternehmens RDC, argumentieren, dass die hohen Trassengebühren und Kostenstrukturen im Schweizer Netz einen marktwirtschaftlichen Betrieb verunmöglichen.
Zwischen Marktlogik und Subventionsmodell
Die Diskussion gewinnt an Brisanz, weil private Anbieter in anderen Ländern zeigen, dass Nachtzüge ohne dauerhafte Zuschüsse betrieben werden können. Snälltaget aus Schweden und European Sleeper aus den Niederlanden gehören zu den wenigen Firmen, die versuchen, mit flexiblen Angeboten profitabel zu arbeiten.
Snälltaget-Manager Marco Andersson hält eine Verbindung nach Basel für wenig sinnvoll. In Skandinavien sei die Nachfrage gering, zudem schrecke das Preisniveau der Schweiz viele potenzielle Reisende ab. Auffällig findet er die nur minimal sinkenden Subventionen bis 2030, was darauf hindeute, dass die Strecke strukturell defizitär bleibe. Andersson verfolgt ein Geschäftsmodell, das stark auf Auslastung setzt: Im Winter fährt Snälltaget Skigäste nach Åre oder Österreich, im Sommer Städtereisende nach Berlin. Schlafwagen bietet das Unternehmen bewusst nicht an; stattdessen setzt es auf Couchettes mit bis zu 400 Plätzen pro Zug und ein Bordrestaurant, das ein bewusst nostalgisches Reisegefühl vermittelt.
Auch European Sleeper sieht die Schweizer Linie kritisch. Firmenchef Elmer van Buuren verweist darauf, dass ein Projekt mit solchen Zuschüssen kaum noch Einnahmen aus dem Ticketverkauf benötige. European Sleeper betreibt seit 2023 die Linie Brüssel–Berlin–Prag und plant ab 2026 eine Verbindung Amsterdam/Brüssel–Mailand, die über die Schweiz geführt werden soll, voraussichtlich über Olten und den Lötschberg. Für van Buuren ist Mailand als Endpunkt entscheidend, da nur grosse Zielmärkte ausreichend zahlungskräftige Kundschaft anziehen.
Strukturelle Unterschiede zu Österreich
Die ÖBB stehen vor denselben Herausforderungen wie private Unternehmen, verfügen jedoch über ein breiteres Netz, eine grössere Flotte und verlässlichere internationale Kooperationsstrukturen. Dadurch lassen sich Skaleneffekte erzielen, die höhere Auslastungen und niedrigere Kosten pro Passagier ermöglichen. Österreich verfolgt ein integriertes europäisches Modell, während die Schweizer Linie Basel–Malmö isoliert wirkt und politisch motiviert anmutet.
Der Unterschied zeigt sich auch in der Investitionsstrategie. Während European Sleeper und Snälltaget auf modernisierte Gebrauchtwagen angewiesen sind, setzt Österreich auf neue Nightjet-Fahrzeuge. Diese schaffen mehr Komfort, mehr Kapazität und damit bessere Chancen, wirtschaftlich zu arbeiten. Das Schweizer Projekt dagegen baut auf einem Konzept, das ohne hohe Zuschüsse selbst laut Betreiber nicht tragfähig wäre.
Pioniere in einer konservativen Branche
Ob die Verbindung Basel–Malmö tatsächlich fährt, hängt von Zulassungen, verfügbarem Wagenmaterial und anhaltender politischer Unterstützung ab. Van Buuren beschreibt sein Geschäft als Pionierarbeit in einer konservativen Branche – ein Satz, der die grundsätzlichen Spannungen zwischen Eisenbahnromantik und ökonomischer Realität gut trifft.
Die Schweiz muss sich damit entscheiden, ob ein einzelnes, politisch aufgeladenes Nachtzugprojekt über Jahre hinweg unterstützt werden soll. Österreich zeigt zur selben Zeit, dass Nachtzüge funktionieren können, wenn sie in einem grossen, koordinierten Netz eingebettet sind und nicht durch punktuelle Subventionslogik künstlich am Leben gehalten werden.